Rechtsprechung

JustitiaGericht: Oberlandesgericht Hamm
Aktenzeichen: I-30 U 53/10
Entscheidung: Urteil vom 16.02.2011

Zu der Frage, wann die Berufung des Mieters auf einen Schriftformmangel eines längerfristig ab- geschlossenen Mietvertrages gegen § 242 BGB (Treu und Glauben) verstößt.

Stichwörter:

Mietrecht, Geschäftsraumiete, Berufung des Mieters auf einen Schriftformmangel, Kündigung, Treu und Glauben (§ 242 BGB).


Berufung auf Schriftformmangel ist nur in Ausnahmefällen treuwidrig!


Zwischen den Parteien stand im Streit, ob der zwischen Ihnen bestehende Geschäftsraummietvertrag durch eine mieterseitige Kündigung vorzeitig beendet wurde. Das OLG Hamm ging als Berufungsgericht von einem Schriftformmangel aus, weil der Unterschrift eines der Gesellschafter der Mieterin nicht entnommen werden könne, dass er den Vertrag auch für die weiteren Gesellschafter unterzeichnet habe. Demnach sei es zulässig gewesen, den auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig durch eine ordentliche Kündigung zu beenden.

In dem Urteil befasste sich das OLG Hamm auch mit der Frage, ob und inwieweit die Berufung des Mieters auf einen Schriftformmangel als treuwidriges Verhalten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Dabei stellten die Hammer Richter fest, dass sich jede Vertragspartei grundsätzlich auch noch Jahre nach dem Abschluss des Mietvertrages darauf berufen dürfe, dass die in § 550 BGB für einen langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten sei. Dies gelte selbst dann, wenn sich die Vertragspartei von dem Vertrag lösen möchte und selbst ohne schuldhaftes Handeln den Schriftformmangel herbeigeführt habe. Ein solches Verhalten erscheine im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 550 BGB weder treuwidrig noch arglistig. Nur ganz besondere Umstände könnten im Einzelfall den Einwand der unzulässiger Rechtsausübung begründen mit der Folge, dass die Kündigung des Vertrages unzulässig ist. Dies gelte etwa dann, wenn die andere Vertragspartei die Nachholung der Schriftform verlangen könne oder die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, z.B. zu einer Existenzgefährdung. Im Streitfall kam das OLG Hamm insoweit zu dem Ergebnis, dass sich aus der salvatorischen Klausel in § 13 der Vertragsurkunde kein Anspruch auf Nochholung der Schriftform ergäbe, weil diese Klausel nicht den Fall der fehlenden Schriftform des Mietvertrages umfasse. Auch im Übrigen lasse sich aus dem Vertrag nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157, 242 BGB) entnehmen, dass ein Anspruch auf die Nachholung der Schriftform bestehe. Aufgrund dieser rechtlichen Erwägungen hielt das Gericht die Kündigung der Mietpartei für wirksam und gab der Feststellungklage der Klägerin - anders als die Vorinstanz (Landgericht Essen - 18 O 541/09) - statt. Die Revision wurde zugelassen.